Hannibal über die Alpen: die erste Langstrecke mit meinem i3

Wer gerne kocht und Neues ausprobiert steht auch Innovationen in anderen Bereichen offen gegenüber. Mein liebstes Steckenpferd ist zur Zeit das Thema Elektromobilität aus der Sicht des Benutzers. Daher war es für mich klar, dass ich meinen Blog „Küchenbewegung“ als Plattform für meinen ersten elektrisieren Reisebericht nutze.

Das Mobilitätsprofil der Familie Klink

Unsere Familie ist nach einer längeren Ära von verschiedenen mehr oder minder representativen Limousinenmodellen von unterschiedlichen deutschen Autoherstellern vor einem dreiviertel Jahr auf ein Elektroauto umgestiegen. Nach einer Probefahrt mit dem von BMW stark beworbenen Modell i3 waren alle vier Klinks von der neuen Elektrobilität angefixt, dass wir uns im Sommer 2016 spontan entschieden den putzigen Kleinwagen aus Carbonfasern zum Familienauto zu erklären. Bei uns stehen Autos meistens ungenutzt auf dem Hof, da wir den Luxus des Büros in Wohnnähe genießen. Mehrere Fahrräder mit und ohne Elektroantrieb stehen für die diversen Kurzstrecken zur Verfügung. Eine Car-Sharing-Mitgliedschaft bei Stadtmobil rundet das regionale Mobilitätsprofil ab. Fernere Reisen werden, wenn möglich und sinnvoll, mit der Bahn oder mit dem Flugzeug getätigt. Die große Frage wie wir in Zukunft zu unserem geliebten Südtiroler Feriendomizil ins Pustertal reisen werden, war damit noch nicht beantwortet. Hierfür ist die Bahn zwar eine Alternative, dauert recht lange und ist durch mehrere Umstiege nicht immer zuverlässig.

Projekt Hannibal

Zum Sommersaisonende 2017 verwirklichte ich dann endlich meinen lang gehegten Plan „Hannibal“ nach dem Vorbild des karthagischen Heerführers, der 218 v. Chr. mit einem Teil seines Heeres auf seinem Lieblingselefanten „Surus“ von der iberischen Halbinsel über die Alpen nach Italien zog. Mich sollte es mit dem elektrisch betriebenen i3 auf meiner Lieblingsroute wie immer über Fernpass und Brenner nach Olang führen.

Zu bewältigen war die übliche Strecke von 465 km Pforzheim – Stuttgart – Reutte – Fernpass – Innsbruck – Brenner – Brixen – Olang. Diese Strecke könnte man bei gemütlichem Tempo ohne Pause theoretisch in 5,5 Stunden schaffen. Die Störfaktoren Stau, Lastwagen, Wohnwagen, Camper und Fernpassgondler lassen das eigentlich nie zu. Außerdem war schnelles Reisen von A nach B noch nie mein Ding. Mit dem i3 sollte die Reise zum Ziel werden.

Hinreise am Mittwoch, dem 4. Oktober 2017; 16:30 Uhr Abfahrt (nach dem Büro)

Meine Kollegin, die jeden Tag von Ludwigsburg nach Pforzheim pendelt, warnte mich schon: „Sieh zu, dass Du vor dem Feierabendverkehr das Stuttgarter Kreuz passiert hast!“. Ich weiß nicht wie früh ich hätte losfahren sollen, ich geriet auf jeden Fall in einen fetten zähfließenden Verkehr der sich von Heimsheim bis nach Esslingen hinzog. Nach dem Tag der deutschen Einheit war die dreispurige Autobahn zweispurig komplett von dem europäischen Materieallager in Form von LKWs blockiert. Den PKWs blieb lediglich eine Spur.

Erster externer Ladevorgang: Raststätte Illertal West

Irgendwann, lange nach Einbruch der Dunkelheit und nach 198 komplett elektrisch gefahrenen Kilometern im EcoPro+-Modus erreichte ich die Raststätte Illertal West, wo es eine Schnelladestation (50kw) mit Combostecker geben sollte. Die Ladestation befand sich gleich neben dem LKW-Parkplatz was mir noch vor dem Starten des Ladevorgangs das erste Gespräch meines LKW-Nachbars bescherte. Fängt ja gut an. Stockdunkler LKW-Parkplatz und ich als weibliche E-Lade-Anfängerin lediglich in Begleitung meines Rauhaardackels. Aber der Brummifahrer aus Kölle interessierte sich wirklich nur für die neue Technik: es war für ihn das erste Mal, dass er ein Elektroauto an einer Ladesäule sah, was er sich dann schon mal genauer anschauen wollte. Der Ladevorgang sollte laut Display gut 45 Minuten dauern. Die Gelegenheit ein coffeinhaltiges Heißgetränk zu mir zu nehmen. Im Raststättenrestaurant herrschte Kassenchaos: es konnte Ware ausgegeben werden, aber alle 3 Kassen waren außer Betrieb. Kein Problem: ich hatte ja Zeit. Die Softwareprobleme dauerten dann doch länger als der Ladevorgang. Jetzt konnte ich beruhigt 100% elektrisch die mittlerweile freie A7 bis Füssen mit 130 km/h durchfahren. Die Überquerung des Fernpasses war kein Problem, da ich einen leeren LKW vor mir hatte, der mir in der Dunkelheit die Richtung vorgab.

Hannibal legt eine Nachtruhe ein

Da ich nachts ungern fahre, war mein Plan die Strecke zu halbieren. Ich hatte vorab ein Zimmer inklusive der Garantie an der hauseigenen Elektroladestation des Hotels „Stern“ in Obsteig auf dem Mieminger Sonnenplateau gebucht. Die Besitzerin versicherte mir, dass die Bedienung auf jeden Fall auf mich warten würde. Hannibal errreichte dann endlich um 21:30 Uhr das sehr familiär geführte und ökologisch orientierte Hotel Stern. Der Ladevorgang wurde mittels einer mir ausgehändigten RDIF-Karte freigesschaltet und mein i3-Baby konnte so über Nacht mit frischem Ökostrom geladen werden. So ungfähr musste sich das Reisen zur Zeit der Postkutschen angefühlt haben.

Weiter geht’s mit neuer Energie

Am nächsten Morgen konnte ich auf meiner iRemote-app sehen, dass der i3 zu 100% geladen war. Juhu. Nach einem äußerst leckeren Frühstück (ohne i3 und das Hannibalprojekt hätte ich dieses wunderbare Hotel nie kennengelernt) zischte ich gut erholt bei strahlendem Sonnenschein bergab Richtung Inntal um dann kurz vor Innsbruck über den Brenner nach Südtirol zu kommen. Die Autobahn war trotz Berufsverkehrszeit angenehm zu fahren. Auf der Inntalstrecke ist fast überall eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 angesagt was mir sehr entgegen kam. Ich konnte es kaum glauben: ich fahre tatsächlich elekrisch nach Olang. Von Obsteig bis vor die Olanger Haustür waren es nur noch 155 km. Kein Problem für die Batterie. Die Brennerautobahn war so leer wie noch nie, doch auch hier gab es, wahrscheinlich wegen des Feiertages in Deutschland, eine lange parkende LKW-Schlange auf der rechten Spur mit Ende nach einer Kurve, in die ich fast reingedonnert wäre und mich wieder einen Schutzengel kostete. Auf der Strecke Brenner-Brixen geht’s so richtig schön bergab, dass man zuschauen kann, wie die Batterie lädt, wenn man im ECO-Modus fährt. So gegen 11 Uhr erreichte ich dann über das Pustertal mein geliebtes Dorf Olang in Südtirol.

Laden am Ferienort

Ich hatte noch eine Restreichweite von 30 km. Da es in St. Vigil eine Ladestation geben soll begab ich mich über die kurvenreiche Straße zum Furkelpass (1.789m) um dann genauso kurvenreich wieder ins Tal nach St. Vigil zu fahren. Ich weiß nicht wie es Maxi’s Magen erging aber mir machte elektrisches Bergfahren total Spaß. Und alles so leise. Ich hatte kein schlechtes Gewissen mich mit dem Auto in einem Naturpark nur „just for fun“ zu bewegen. Die Adresse der St.-Vigiler Ladestadtion hatte ich mir über die App ans i3-Navi geschickt, das allerdings mit der Programmierung für Italien so seine Probleme hatte. Mir gelang es wirklich nicht, die Station zu finden. Nach 3 Anläufen gab ich frustiert auf und fuhr zurück. Unterwegs erinnerte ich mich irgendwo mal gelesen zu haben, dass das Bärenhotel in Geiselsberg über eine Ladebox für Hotelgäste verfügt. Dort durfte ich dann als nicht Hausgast gegen eine Konsumierung laden. Die BMW-Wallbox war nicht sehr leistunsgfähig aber unter den Gästen war der Besitzer meines Lieblingslebensmittelladens „Agstner“ aus Olang, der beste Infos hatte, über die Zukunftspläne des Südtiroler Stromanbieters „Alperia“. In näherer Zukunft seien über 200 neue Ladstationen in Südtirol geplant. Für Olang war auch eine vorgesehen. Na das waren ja gute Aussichten. Genial!

Zurück in Olang versorgte ich den i3 dann das erste Mal in seinem Leben mit Strom aus der Haushaltssteckdose, die ich extra für diesen Zweck zu meinem Tiefgaragenstellplatz verlegen ließ. Angezeigte Ladedauer: 12 Stunden! Egal, ich hatte ja auch nicht mehr vor mich mit dem Auto zu fortzubewegen. Als ich abends den Geschirrspüler einschalten wollte, flog erst mal die Sicherung raus. Aha, der i3 scheint doch ordentlich Strom zu ziehen. Für den in Italien üblich 4Kw-starken Stromanschluss ist das ein bisschen zu viel. Also dann geht in Zukunft Laden, Fönen und Wäschewaschen und Backen nicht mehr gleichzeitig sondern nacheinander. Im Urlaub ist man ja in der Regel tiefenentspannt und somit gar kein Problem.

Rückreise

Die Heimreise gestaltete sich dann folgendermaßen:
Strecke Olang – Brenner // 78 km
1. Laden am Brennerpass (Schnelladestaion)
Zeitvertreib: Frühstücken bei Lanz

Strecke Brenner – Allgäuer Tor Ost // 209 km
2. Laden am Allgäuer Tor (Schnelladestation)
Zeitvertreib: 45-minütiger Hundespaziergang mit anschließendem Kaffee und Kuchen

Strecke Allgäuer Tor – Illertal Ost // 43 km
3. Laden Illertal Ost (normale Ladesäule)
Zeitvetreib: Mittagsschläfchen auf der Rückbank

Strecke Illertal Ost – Pforzheim // 170 km

Mit dem E-Auto ist der Weg das Ziel wobei das Ziel nicht unerreichbar ist. Ich bin noch nie so entspannt angekommen, da ich keine Zeitnot hatte. So macht Reisen Spaß. Mein nächstes Projekt besteht darin Beschäftigungen an den unterschiedlichen Ladepunkten zu finden, welche Unternehmungen man als Zeitvertrteib haben kann. Ein großes Minus ist die Qualität des Essens an Raststätten (große Ausnahme: Lanz am Brenner). Mir schwebt ein Serie von Gerichten hier in diesem Blog vor, die man problemlos vorbereiten kann und als Picknick unterwegs genießen kann.

Mit einem Elektroauto ist man während des Ladevorgangs auch nie alleine. Die Menschen interessieren sich sehr für die neue Mobilität und löchern einen mit immer den gleichen Fragen:
Wie weit reicht die Batterie? Wie schnell kann man fahen? Wie lange dauert das Laden? Kommen Sie heute noch nach Hause? Wieviel kostet das Auto? Wo laden Sie zu Hause?

Eins steht fest: Hannibal wird bald wieder reisen.